Am Wochenende gab es einen Showdown bei dem Bundesparteitag der Piraten zwischen Befürwortern und Kritikern der ständigen Mitgliederversammlung (sMV). Die sMV soll die Möglichkeit schaffen zwischen Parteitagen verbindliche Beschlüsse zu fassen. Dadurch wäre für die Diskussion von Anträgen mehr Zeit.
Außerdem könnte auf Aktuelle Themen schneller reagiert werden. Um dies umzusetzen, muss die Satzung der Partei geändert werden.
Hierfür ist eine 2/3 Mehrheit auf einem Parteitag der entsprechenden Gliederung notwendig. Diese Mehrheit wurde auf dem Bundesparteitag 2013.1 (BPT131) mehrfach nicht erreicht. Dieser Beitrag versucht zu klären, woran das liegt.
Das Hauptproblem sind die verhärteten Fronten zwischen sMV Befürwortern und Gegnern. Hier wurden in der Vergangenheit immer stärkere verbale Geschütze aufgefahren, anstatt auf die jeweils andere Seite konstruktiv zuzugehen, und zu versuchen auf die Kritik einzugehen. Eine 2/3 Mehrheit kann nicht über das Knie gebrochen werden. Insbesondere an die Auftritte Christopher Lauer fallen hier negativ auf. Dieser hat Kritik an seiner Hardcore sMV nicht sachlich beantwortet, sondern systematisch in Lächerliche gezogen. Menschen, deren Argumente ins lächerliche gezogen werden, neigen jedoch nicht dazu der Gegenseite besondere Sympathie entgegen zu bringen.
Auf der anderen Seite wurde die Kritik von den sMV Befürwortern als Basta-Argumentation wahrgenommen.
Ein Blick auf die Wahlergebnisse, zeigt, dass wahrscheinlich viele Befürworter taktisch gewählt haben und bei der Akzeptanzwahl Kompromisslösungen ihre Stimme verweigert haben.
So haben sich die Fronten der zwei Lager verhärtet.
Tricks mit der Geschäftsordnung
Der missbräuchliche Einsatz der Geschäftsordnung (GO) um entweder die sMV durchzusetzen oder zu verhindern, hat das Misstrauen auf beiden Seiten deutlich verstärkt.
So wurde versucht z. B. am Samstagabend so lange zu verzögern, bis die Veranstaltung vertragt und der Tagesordnungspunkt (TOP) von der Tagesordnung (TO) fällt. Auf der anderen Seite versuchte Christopher Lauer durch das Stellen von Alternativanträgen und ausnutzen einer GO-Lücke eine geheime Abstimmung zu hindern. Diese Aktionen haben unnötig Zeit gekostet, in der wir für die Besprechung von inhaltlichen Anträgen zum Wahlprogramm hätten verwenden können.
Vor dem Hintergrund, dass kein Antrag zur sMV angenommen wurde, ist die Frage, ob der Freitagabend und der Sonntag des Bundesparteitags zum großen Teil umsonst war?
Wie geht es weiter? Kein platz für Clowns!
Es gibt Befürchtungen, dass sich dieses Schaukampfbudenspektakel bei den nächsten Bundesparteitagen wie eine Denial of Service Attacke wiederholen könnte. Frei nach dem Motto: „Wir beantragen die sMV so lange, bis sie irgendwann mal durchkommt“. Vor diesem destruktiven Vorgehen muss jedoch gewarnt werden. Es wird keine Akzeptanz eines sMV mit der Brechstange geben.
Akzeptanz kann man nicht erzwingen. Akzeptanz geht einher mit Vertrauen. Um Vertrauen zu schaffen, muss man auf die Leute zugehen und sie nicht ins Lächerliche ziehen. Wer eine sMV will, sollte nicht den Schreihälsen und Polarisierern das Feld überlassen. Wenn ein Clown sich ans Mikrofon stellt, dort „Hurra lauft nach vorne“ ruft, und alle rennen, ohne nachzudenken nach vorne, wundert es nicht, wenn diese Clowns genau so weiter machen, da sie Anerkennung bekommen.
Im Gegensatz dazu haben Andi Popp und Patrick Breyer ein positives Beispiel auf diesem Parteitag geliefert, die mit konstruktiven Alternativvorschlägen einen möglichen Weg aus dem Putt bereitet haben. Hätten sie mehr Erfolg gehabt, wenn sie laut „Hurra“ gerufen hätten? Vielleicht. Das Problem ist, dass sich offenbar viele Piraten mit „Hurra“ mobilisieren lassen, aber eben nicht 2/3. Im Gegenteil, mehr als 1/3 der Piraten scheint sich standhaft zu weigern, den Hurrarufern ihre Stimme zu geben.
Die Piraten brauchen also eine sachliche Debatte über die sMV. Ohne Polemik und mit denjenigen, die Kritik an den Vorschlägen haben.
Ohne eine Form von sMV wird die Piratenpartei Probleme haben, ihrem basisdemokratischen Anspruch zeitnah gerecht zu werden. Aber ohne beiderseitige Annäherung wird es keine sMV geben.